Das Leben ist schon eins der Härtesten. Da kommen wir auf diese Welt, die so viele interessante Dinge für uns bereithält, die wir erfahren, erkunden und ausprobieren können.
Wir wachsen heran und entdecken Vorlieben und Interessen. Wir entwickeln Enthusiasmus und Schaffensdrang. Wir haben Lust, die Welt zu erobern, ob im Kleinen oder im Großen, gemeinsam oder allein.

Alles wäre so angenehm und schön … wenn da nicht das leidige Thema Geschlecht wäre.

Ob wir mit viel oder wenig Selbstvertrauen durch die Welt gehen, ist zur Hälfte genetisch festgelegt, der Rest entsteht durch Prägung und Erfahrungen.
Spätestens wenn wir erwachsen sind, realisieren wir, dass unser Geschlecht Vorteile und Nachteile mit sich bringt. Dass wir verschieden sind, steht außer Frage. Doch je nachdem, wie wir sozialisiert sind, in welchem Umfeld wir uns bewegen und mit welchen Medien wir uns umgeben, haben wir eine unterschiedliche Einstellung zu den geschlechtlichen Unterschieden und Gemeinsamkeiten.

Der „Gesellschaft“ gefällt es natürlich, wenn sich Frauen und Männer bzw. Mädchen und Jungen entsprechend der ihnen zugewiesenen Geschlechterrollen verhalten. Das macht es einfacher und überschaubarer. Wir lieben Regeln und die Trennung nach (biologischem) Geschlecht ist so wunderbar simpel. Das kann jeder verstehen und sich auch daran halten. Aber macht uns diese Trennung glücklich?
Ich habe das Gefühl, je mehr wir die Geschlechter voneinander abgrenzen, desto mehr benachteiligen wir uns gegenseitig. Je mehr wir trennen, desto schwieriger machen wir uns das Leben. Wir beginnen Dinge zu fordern, die uns vielleicht gar nicht liegen. Und die wir gar nicht wollen.
Indem wir den Geschlechtern Attribute zuschreiben, üben wir einen enormen Druck aus. Das klassische Männer- und Frauenbild lässt uns wenig Spielraum, uns frei zu entfalten und alle unsere Seiten offen zu leben.

Das Thema Gleichberechtigung der Geschlechter ist kein neues, aber auch noch gar nicht so wahnsinnig alt. Momentan befinden wir uns in einer neuen Feminismus-Welle, die besonders auch sehr junge Menschen mitreißt und motiviert, Gleichberechtigung zu fordern und zu leben.
Viele sehen nur eine Moral-Polizei in diesen jungen Leuten, aber jede Veränderung ist am Anfang immer unangenehm und störend. Es braucht eine gewisse Kraft und viel Druck, um gegen Widerstände anzukommen. Da ist es logisch, wenn es zu Aggressionen und Ablehnung kommt. Dennoch passiert dabei etwas ganz Wichtiges: Gleichberechtigung ist in aller Munde und in den Medien als Thema präsent.

Auch mir ist das Thema wichtig. Ich versuche, Gleichberechtigung zu leben – so gut es mir möglich ist.
In meinem Beruf als Theaterpädagogin, die auch viel Regie führt, begleitet mich das Thema tagtäglich – bei der Stückauswahl, bei der Rollenverteilung, bei der Inszenierung. Denn immer wieder ist es notwendig, gängige Geschlechterrollen zu erkennen, zu hinterfragen und jedes Mal neu zu entscheiden, ob es sinnvoll ist, sie in dem konkreten Fall zu bedienen oder nicht.
Ich ermuntere meine Gruppen, auch außerhalb der Klischees zu denken und Rollen mit anderen Geschlechtern zu besetzen als vorgegeben.
In meiner eigenen Regie-Arbeit und in meinem Solo-Theater macht es mir Freude, die Geschlechter komplett zu mischen oder auch mal gar nicht wirklich zu definieren, denn Menschen sind immer Menschen – mit den gleichen Emotionen und Verhaltensweisen. Vielleicht ist den Zuschauenden das Geschlecht irgendwann ganz egal …