Wenn man jemanden anlächelt, dann signalisiert man: Ich sehe Dich, ich nehme Dich wahr, ich bin Dir freundlich gesinnt. Eigentlich ganz einfach.

Aber warum fällt es uns dann oft so schwer, warum begegnen sich die Menschen im öffentlichen Raum meist mit griesgrämigen Gesichtern, sehen sich nicht an, starren auf ihr Handy?

Ich habe manchmal den Eindruck, als gäbe es ein ungeschriebenes Gesetz, dass man Fremde, denen man zufällig begegnet, möglichst ignoriert. Dass man ihnen nicht freundlich gegenübertritt oder gar Kontakt aufnimmt.

Das finde ich sehr schade, denn solche kleinen Begegnungen machen doch das Leben lebenswerter. Kinder machen uns das vor, sie nehmen ihre Umgebung aufmerksam wahr, gehen auf Fremde zu, sprechen sie an – und in der Regel freut sich der Angesprochene darüber.

Das können wir Erwachsenen doch auch: ein nettes Wort zur Verkäuferin im Supermarkt, ein Dank an den Paketboten, der einem das Paket in die vierte Etage gebracht hat, ein freundlicher Blick und ein Lächeln für die täglich gleichen Mitfahrer morgens in der U-Bahn (ich weiß, der Vorschlag mit der U-Bahn ist gewagt – das ist eher was für Fortgeschrittene).

Ich versuche solche Dinge zu praktizieren, weil ich denke, dass es meinen Alltag angenehmer macht und dass der/die Gegenüber sich über solche einfachen Gesten freut.

Und manchmal beginne ich sogar mit Fremden ein kleines Gespräch! Und dabei lernt man tatsächlich interessante Menschen kennen 🙂

Zum Beispiel habe ich vor einiger Zeit im Bus neben einer Dame gesessen und wir haben uns kurz unterhalten (wirklich kurz, ungefähr zwei Sätze lang) – über das Wetter, der Klassiker.
Dann bin ich ausgestiegen, um in die U-Bahn umzusteigen. Und wer steht auf dem Bahnsteig ein kleines Stück weiter? Die Dame aus dem Bus.
Statt sie zu ignorieren – wie es wohl die meisten gemacht hätten – habe ich sie angesprochen. „So sieht man sich wieder…“ ist nicht originell, aber immerhin ein Gesprächsanfang. Und es hat sich dann ein sehr interessantes Gespräch entwickelt (die U-Bahn war mal wieder „unregelmäßig“). Am Ende haben wir Kontaktdaten ausgetauscht und sie hat mich zu einer ihrer Veranstaltungen eingeladen und ich habe sie zu einer meiner Veranstaltungen eingeladen.

Ein anderes Beispiel: Neulich war ich mit meinem Mann in der Kirschblütenallee bei Teltow spazieren. Dort begegnete uns ein Paar, der Mann machte Fotos von seiner Partnerin unter der Blütenpracht. Die Frau hatte ein Kleid an, das farblich perfekt zu dem Rosa der Kirschblüten passte – das sah richtig toll aus. Und das habe ich ihr auch gesagt, einfach so. Ein strahlendes Lächeln ging über ihr Gesicht, sie hat sich über mein Kompliment offensichtlich sehr gefreut. Und ihr Partner guckte irritiert – gar nicht, weil ich als Fremde seiner Frau ein Kompliment machte, sondern weil  er offensichtlich die perfekte Farbzusammenstellung noch gar nicht bemerkt hatte (Männer!).

Versuch es einfach mal: Lächle die Menschen an, denen Du zufällig begegnest, sag ihnen ein freundliches Wort. Du wirst überrascht sein, was das bewirkt: Du bekommst bessere Laune, der Angesprochene bekommt auch bessere Laune und fühlt sich als Mensch wahrgenommen – und vielleicht entwickelt sich sogar ein kleines nettes Gespräch.

Und die Welt wirkt gleich ein bisschen freundlicher.

Johanna Madrasch