Kennst Du sie auch, diese Menschen, die alles durch die „rosarote Brille“ sehen – und die anderen, die alles „schwarzsehen“? Solche Menschen haben einen sehr einseitigen Blick auf sich, auf ihre Umgebung und auf das Leben, und das empfinden wir oft als nicht normal.

Meine Freundin Brigitte zum Beispiel, die hat definitiv eine „rosarote“ Einstellung. Die ist so gutgläubig und hilfsbereit, dass es schon an Naivität grenzt. Sie wird oft ausgenutzt und schafft es, sich sogar die negativen Erfahrungen schönzureden bzw. Entschuldigungen für die anderen zu  finden. Ich mag Brigitte sehr, aber ein Zusammensein mit ihr kann auch sehr anstrengend sein, da ich immer in Versuchung bin, sie auf den „Boden der Tatsachen“ zurückzuholen – in die Realität, die ich als richtig empfinde. Weil sie sich mit ihrer „esoterischen“ Einstellung oft selbst schadet bzw. Probleme und Handlungsbedarf nicht sieht oder falsch einschätzt.

Das Gegenteil davon ist mein (ehemaliger) Bekannter Jörg. Der sieht überall nur das Negative, immer vermutet er Lug und Betrug. Und natürlich ist er überzeugter Anhänger diverser Verschwörungstheorien. Jeder Kontakt mit ihm –selbst wenn es nur ein kurzes Telefonat oder eine Nachricht war – hat mich sehr belastet, hat bei mir zu schlechter Laune geführt. Daher habe ich die Beziehung völlig abgebrochen.

Wie kommt es, dass Menschen die Realität so unterschiedlich wahrnehmen und interpretieren?

Die Hirnforschung hat herausgefunden, dass wir das sehen bzw. wahrnehmen, auf das wir uns fokussieren. Im Alltag bekommt unser Gehirn unendlich viele Eindrücke, die es sortieren und verarbeiten muss. Dabei wird der allergrößte Teil als „unwichtig“ klassifiziert und gar nicht bewusst registriert. Nur die Informationen, mit denen wir uns beschäftigen, die wir als relevant klassifizieren, dringen in unser Bewusstsein vor und werden von uns wahrgenommen.

Das kennst Du sicherlich auch. Zum Beispiel, wenn Du darüber nachdenkst, dass Du Dir ein neues Auto kaufen willst. Vielleicht den neuesten VW Golf? Und plötzlich siehst Du überall Golfs – die Straßen sind voll damit. Das war doch vorher nicht so?
Oder wenn Du einen Kinderwunsch hast – dann wimmelt es plötzlich überall von Schwangeren und Eltern mit Babys.

Genauso wie mit den Golfs und den Babys funktioniert unser Gehirn auch mit anderen Dingen: mit Ängsten und Gefahren, mit Freude und Schönheit, mit positiven und negativen Emotionen.

Sich das bewusst zu machen, halte ich für sehr wichtig. Denn wie schon vor ca. 1900 Jahren der Philosoph und Kaiser Marc Aurel mit dem Spruch „Mit der Zeit nimmt deine Seele die Farbe deiner Gedanken an“ klarmachen wollte: es ist ganz wichtig, was wir über uns selbst und unsere Umgebung, unsere Lebenssituation und die Weltsituation im Allgemeinen denken – denn das hat einen großen Einfluss darauf, wie es uns geht. Im Extremfall sehen wir alles rosarot oder schwarz, im Idealfall befinden wir uns irgendwo in der Mitte. Wobei der „Idealzustand“ sicherlich bei jedem anders ist, und auch je nach Tagesform schwankt.

Mir ist es wichtig, klarzustellen, dass wir die Farbe unserer Seele – also wie es uns geht – selbst beeinflussen können. Indem wir uns bewusst machen, was und wie wir denken. Wenn wir ständig nur Probleme wälzen, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn alles grau erscheint. Und wenn wir überall nur die schönen Dinge wahrnehmen, dann übersehen wir vielleicht Warnzeichen, wo in unserem Leben etwas schiefzulaufen droht.  

Zu beobachten, wie und was man denkt, sich die inneren Dialoge bewusst machen – das ist ganz wichtig für die seelische Gesundheit. Und darauf wollte Marc Aurel hinweisen.

Wenn Dir das schwerfällt, hier ein kleiner Tipp: führe mal eine Weile ein Tagebuch.
Schreib einfach täglich auf, was Dir so durch den Kopf geht – völlig ungefiltert und ehrlich, nur für Dich selbst.
Was das für einen Sinn hat? Zum einen ist das im Moment des Schreibens  sehr erleichternd und befriedigend – es ist schön, wenn man Dinge ausformuliert und an das Tagebuch „abgibt“.
Und richtig spannend wird es dann, wenn man die Einträge nach einer Weile – also wenigsten ein paar Wochen später, damit da schon eine gewisse Distanz ist – noch einmal durchliest. Da entdeckt man dann Muster und Themen, die man vorher nicht gesehen hat.

Also: beobachte Deine Gedanken, beeinflusse sie auch bewusst – damit Deine Seele eine schöne Farbe hat  🙂

Johanna Madrasch